Eine Metamorphose?
Das Leben lieben mit Parkinson
Als im Jahr 2008 Herr Dr. Gerschlager das Buch Parkinson – Ursachen, Diagnose, Verlauf und Therapieoptionen schrieb, fragte er beim Vorstand der PSH Wien an, ob jemand einen Beitrag über die Selbsthilfe für dieses Buch schreiben würde. Als Betroffene und ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der PSH fiel die Wahl auf mich und ich betrat mit dem Schreiben dieses Artikels Neuland. Der fünf Seiten umfassende Bericht über den Wert der Selbsthilfe allgemein hatte neun Jahre unverändert seine Gültigkeit. Um dieses Buch neu aufzulegen, ist jedoch eine Anpassung nicht nur von medizinischer Seite, sondern auch vom Stand der Selbsthilfe her erforderlich.
Eine der Veränderungen, die auffällt, ist der Wunsch des Patienten nach mehr Information. Das stellt die Selbsthilfegruppen vor eine große Verantwortung, denn Information kann nur in der Zusammenarbeit mit den Experten (Ärzten, Pflegepersonen und Therapeuten) bereitgestellt werden. Es gibt heute immer mehr mündige Patienten, die mit dem Arzt auf Augenhöhe kommunizieren. Das ist zu einem großen Teil auch der Selbsthilfe zu verdanken, die dem Arzt und dem Patienten z.B. die Möglichkeit gibt, im Anschluss an einen Vortrag in einen Dialog zu treten, wo der Patient Fragen stellen kann und darauf ganz persönlich Antworten erhält. Der Wissensstand des Patienten über eine chronische unheilbare Erkrankung kann damit ein hohes Niveau erreichen. Auch wir selbst von der PSH Wien haben uns in den letzten neun Jahren verändert. Wir haben ein vorwiegend junges, dynamisches Team im Vorstand, an dessen Spitze Renate Lemanski seit 2014 als Obfrau mit zwei Stellvertretern steht. Im Februar 2016 stellte sich keiner der Stellvertreter zur Wahl für den Vorstand und Renate Lemanski hat mangels Nachfolge für zwei weitere Jahre ihren Verbleib als Obfrau zugesichert.
Wir haben seit dem kompletten Neustart im Jahr 2014 zusätzlich zum Vorstandsteam einen Beirat, bestehend aus vier Personen, die das Programm mitgestalten und ihre Erfahrungen (sie sind seit vielen Jahren bei der Gruppe tätig) einbringen können. Dieser Beirat ist auch über eine Kummernummer für alle, die eine Betreuung oder Beratung benötigen, zu vorgegebenen Zeiten erreichbar. Schon das Zuhören hilft mitunter ein gutes Stück weiter, um die Krankheit besser annehmen und bewältigen zu können. Seit 2014 wird eine sehr professionelle, gebundene Monatszeitschrift mit hochaktuellen Themen aus Medizin und Forschung sowie mit persönlichen Erfahrungsberichten herausgegeben. Seit Februar 2016 erscheint sie im zweimonatigen Rhythmus. Ein Übersichts-Kalendarium über unsere sehr zahlreichen Aktivitäten, aber auch Übersetzungen interessanter Artikel aus anderen Ländern, authentische Geschichten von Betroffenen und Angehörigen ergänzen den Inhalt. Auch Ratschläge und Tipps aus dem Parkinsonalltag finden darin Platz und werden sehr gerne gelesen. Das Redaktionsteam setzt sich teils aus dem Vorstand, dem Beirat und Betroffenen zusammen. Es ist für die thematische Ausrichtung sowie das Schreiben oder Beschaffen der dafür notwendigen Artikel und Manuskripte zuständig.
Unserem Team steht ein junger Sekretär zur Seite, der sich in Bezug auf PC, Zeitungsredaktion, Buchhaltung und im Umgang mit unseren Mitgliedern in den zwei Jahren seiner Tätigkeiten bei uns sehr gut eingearbeitet hat. Zu seinen weiteren Aufgaben zählen z.B. die Bearbeitung und Aktualisierung der Homepage, die Abwicklung des gesamten Schriftverkehrs sowie die Beantwortung, gegebenenfalls auch Weiterleitung, aller schriftlichen und telefonischen Anfragen an den Verein.
Abwechselnd haben wir auch immer wieder freie Mitarbeiter, Betroffene sowie Angehörige, die kurzfristig Aufgaben übernehmen und sich, wenn diese erfüllt sind, auch wieder zurückziehen können. Mit unserem Neustart ist es gelungen, auch eine Angehörigengruppe einzurichten. Diese von Manfred Pintar betreute Gruppe hat sich in der kurzen Zeit eine gute Basis geschaffen. Die Zeit für diese Gruppe war reif und sie hat nun ihren festen Platz in der Parkinson-Selbsthilfe Wien. Unseres Wissens sind wir bisher die ersten in ganz Österreich, die eine solche Einrichtung für Angehörige, die wir als »Betroffene in zweiter Reihe« bezeichnen können, etabliert haben. Sie haben die Möglichkeit, sich innerhalb ihrer Gruppe auszutauschen und unter Gleichgesinnten ihre Probleme aufzuarbeiten. In regelmäßigen Abständen wird auch eine Psychotherapeutin zum Treffen eingeladen.
Die im Jahr 2007 von mir gegründete Gesprächs- und Erfahrungs- Austauschgruppe, die sich jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat trifft und anfangs in Gasthäusern zusammengekommen ist, trifft sich seit 2014 in unserem Vereinslokal. Sie ist nicht nur ein Parki-Treff, sondern bietet seit einiger Zeit auch diverse Fachvorträge an. Gelegentlich haben die Vorträge aber auch einen nicht unbedingt parkinsonbezogenen Inhalt. Was ebenfalls gut ankommt, sind Lesungen, Reiseberichte, aber auch Diskussionen und Alltagsgeschichten. Letztere bestimmen die Kurzweiligkeit bei diesen recht gut besuchten Treffen. Diese Gruppe nimmt auch immer wieder Neuzugänge sehr herzlich auf. Es besteht die Möglichkeit, sich von der Gruppe Ratschläge für den Alltag mit Parkinson zu holen, aber auch in Einzelberatung ist es nach kurzer Voranmeldung möglich, sich helfen zu lassen. Es gibt noch eine weitere Gruppe, den Parki-Treff im 10. Bezirk, der jeden ersten und dritten Freitag im Monat im Café Cactus stattfindet.
Die für uns ältere Betroffene und Angehörige sehr wichtige Gruppe der früh diagnostizierten Parkinson-Betroffenen läuft unter dem Namen »Jupps«, von Agnes Pintar ersatzweise als »Abendwiener« bezeichnet, da die meisten daran Teilnehmenden noch berufstätig sind und die Zusammenkünfte deshalb erst abends stattfinden können. Ihre speziellen Probleme, die sich aus der frühen Diagnose ergeben, sind die Berufsausübung, die Frühpension, der lange Verlauf der Krankheit und die damit einhergehenden Schwierigkeiten im täglich Leben, wie möglicherweise unversorgte Kinder und Partner, deren Lebensentwürfe anderes geplant waren und nicht so leicht mitgetragen werden können.
Unser Fokus richtet sich vorwiegend auf die jüngeren Parkinson-Betroffenen, die unseren Bestand sichern. Wir müssen uns darüber klar sein, dass wir uns gegenseitig brauchen und nur in der Verjüngung ein künftig weiteres Bestehen möglich ist. Die Jungen sind unsere Hoffnungsträger, sie sind neugierig und durch den langen Verlauf ihrer Krankheit stellen sie auch zeitweise unbequeme Fragen an Medizin und Forschung.
Die vielen von unseren motivierten Mitarbeitern geschaffenen Gruppen, die wir gratis anbieten und die recht gut besucht werden, sind:
- Die Trommelgruppe, Schurli Kudrna ist der Leader dieser Einrichtung.
- Die Singgruppe von Evi Walcher, ihrer Musikbegeisterung ist diese Gruppe zu verdanken.
- Fit mit Christa, eine Turn- und Gymnastikgruppe.
- Die schon seit vielen Jahren bestehende Schwimmgruppe unter der Leitung der Aqua-Trainerin Ursula kann zweimal die Woche inklusive Eintritt für einen geringen Betrag besucht werden.
Weitere Gruppen, die von der PSH Wien empfohlen werden, sind mit geringen Kosten verbunden:
- Das Gedächtnistraining für Parkinson »Fit im Kopf – ein Leben lang«.
- Die Tanz- und Bewegungsgruppe, geleitet von der Tanztherapeutin Mag. Viviana Escalé, die mit viel Potenzial, Freude und Lust am Tanzen verbreitet. Ein geringer Betrag für eine Stunde Bewegung zur Musik ist dafür zu bezahlen.
Auswärts stattfindende Gruppen, ebenso mit Kosten verbunden, sind:
- Eine weitere Tanzgruppe: Bewegung, Tanz und Rhythmus mit Musik.
- Zwei Smovey-Gruppen.
- Eine weitere Gruppe für Angehörige von Parkinson-Erkrankten unter der Leitung einer Psychotherapeutin. Die Vollübernahme der Kosten ist durch die Krankenkasse möglich.
Unsere Aktivitäten sind sehr vielfältig und beinhalten Fachvorträge von Ärzten, Veranstaltungen, Ausflüge, Interviews bei Radiosendern und nicht zuletzt Baumpflanzungen in ganz Österreich. Die geniale Idee der Baumpflanzung stammt von Agnes Pintar und ließ sich bereits an vielen öffentlichen Orten, wie Rehab-Zentren, Spitälern und auf Plätzen in diversen Kleinstädten, verwirklichen.
Im Herbst 2016 feierte die Parkinson Selbsthilfe Wien ihr 25-jähriges Jubiläum mit großzügiger Hilfe der Erste Bank und weiterer Sponsoren. Zu diesem Anlass haben wir eine Broschüre herausgegeben, in der wir unseren Werdegang in Worten und Bildern darstellen. Von Vertretern aus der Gesundheitspolitik und diversen damit verbundenen Einrichtungen, aber auch von unseren im Beirat tätigen Ärzten gab es Dankesworte sowie interessante und lobende Beiträge.
Wir sind vielseitig für unsere Mitglieder tätig und dokumentieren auch immer wieder unsere Veranstaltungen. Wir versuchen, in den Medien präsent zu sein, um darauf aufmerksam zu machen, was man gewinnt, wenn man diese Möglichkeiten der Selbsthilfe nützt.
Soziale Kontakte werden in Zeiten physischer und psychischer Belastungen immer wichtiger. Unser Erscheinungsbild ist nicht von Krankheit gezeichnet, wir haben auch das Lachen nicht verlernt. Wir helfen unseren Mitgliedern, wieder Mut und Kraft zu schöpfen, um sich im Alltag besser zurechtzufinden.
Als Abschluss ein Zitat aus dem Buddhismus:
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war,
stets kannst du im Heute neu beginnen.
Hanne Brachtl
für die Parkinson Selbsthilfe Wien
in: Willibald Gerschlager: Parkinson. Maudrich 2017
Schreibe einen Kommentar